Im Gespräch mit einem echten Wildnis-Experten.
„Survival“ ist in aller Munde. Aber warum? Geht es dabei wirklich nur um das „Überleben in der Wildnis“ oder steckt mehr dahinter?
Wir haben mit einem echten Wildnis-Experten gesprochen. Peter Kirschner ist staatlich geprüfter Guide am Berg und im Wildwasser und arbeitete viele Jahre als Ausbilder und Pädagoge. In den USA wurde er in der weltbekannten „Tracker School“ von Tom Brown Jr. zum Wildnis- und Überlebenstrainer ausgebildet und leitet nun zusammen mit seinem Team sein eigenes Wildnis-Camp in Tirol.
Mit euren Wildnis-Camps für Eltern und Kinder habt Ihr ein ganz besonderes Angebot. Was möchtet Ihr vermitteln?
Peter: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Kindern und Jugendlichen aber auch Erwachsenen die Natur auf einfache und zugleich nachhaltige Weise näher zu bringen. Für mich bedeutet dies, die Natur wieder mit allen Sinnen zu erleben. Vom Jahrtausende alten Wissen der Urvölker zu lernen. Die Bedeutung der Natur als unsere Lebensspenderin zu verstehen und dies erfahrbar zu machen. Es heißt, achtsam und respektvoll mit der Erde und deren Geschöpfen umzugehen, unsere Fähigkeiten und Stärken kennenzulernen und die Bedeutung des gemeinsamen Tuns zu begreifen.
Warum ist das so wichtig?
Peter: Ich konnte in meiner jahrzehntelangen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beobachten, wie bei jungen Menschen – aus verschiedensten Gründen – der Kontakt mit der lebendigen und noch unberührten Natur immer seltener wird. Ich kann mich noch gut an meine eigene Kindheit in den Wäldern Tirols erinnern, die stets begleitet war vom einzigartigen Mischwald-Duft, den Geräuschen des Windes, der die Blätter bewegt und dem Gluckern eines klaren Gebirgsflusses. All diese wundervollen Dinge der Schöpfung und ihre Lebewesen prägen die Erinnerungen eines Kindes bis ins Erwachsenenalter, denn sie werden tief im Unterbewusstsein verankert!
Wie hängt das für dich mit dem Thema Nachhaltigkeit zusammen?
Peter: Den Kindern die Schönheit und Ursprünglichkeit der Natur nahe zu bringen, dass sie sie als ihre Heimat und sich selbst als ein Teil von ihr empfinden, ist für mich persönlich die erfüllendste Aufgabe im Leben. Wenn unter den Jüngsten in unserer Gesellschaft die Liebe zu „Mutter Natur“ erwacht, werden sie später als Erwachsene bemüht sein, sie mit aller Kraft zu erhalten. Denn schließlich schützen wir Menschen das, was wir liebgewonnen haben!
Nachhaltigkeit bleibt bei uns nicht nur ein leeres Schlagwort, sondern wird direkt gelebt und erfahren. Es gäbe so viel Potential in der Vermittlung von kostbarem Wissen, das zur Erhaltung der Natur, der Gesundheit unserer Kinder und letztendlich zur bewussten Entwicklung eines jeden Individuums in einer modernen Gesellschaft beitragen könnte.
Du hast eine umfangreiche Ausbildung absolviert und über die Jahre viel Erfahrung gesammelt. Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, um in der Natur ohne Hilfsmittel zu überleben?
Peter: In einer Überlebenssituation, in der man zu keinen modernen Hilfsmitteln greifen kann, ist es besonders wichtig, die richtigen Prioritäten zu setzen. Bei einem großen Teil der Leute kommt in solch einer Situation als erstes die Angst auf, nichts zum Essen zu finden. Aber genau genommen steht die Nahrungsaufnahme auf der letzten Stelle in der „Survival-Prioritätenliste“, weshalb viele gleich schon diese falsche Entscheidung treffen würden.
Speziell in der nördlichen Hemisphäre ist es in solch einem Fall zuerst wichtig, die Körpertemperatur zu halten! Wenn man weder einen Schlafsack noch ein Feuer zum Wärmen hat, dann muss man eben selbst einen „Natur-Schlafsack“ aus den zur Verfügung stehenden Naturmaterialien bauen. Das ist wichtig, damit man die erste kritische Phase überlebt, bis man es vielleicht erst am nächsten Tag geschafft hat, ein Feuer zu machen. Unterkühlung muss vermieden werden, denn dieser Zustand kann sich sehr schnell einstellen!
Und wie lernt man all das?
Peter: All die notwendigen Techniken und das Wissen darüber müssen natürlich erst erlernt und geübt werden, so wie auch das Feuermachen mittels Holzreibung. In den meisten Filmen sieht das immer sehr leicht aus, grundsätzlich werden in den Medien häufig sehr unrealistische Dinge vermittelt. All diese Techniken sollten aber zunächst unter angenehmen Bedingungen erlernt und geübt werden, damit sie dann auch im Notfall sicher beherrscht werden. Oft sind es die kleinen, feinen und unspektakulären Dinge, wie das Flechten von Schnüren aus Pflanzenfasern, die uns den entscheidenden Vorteil in einer Überlebenssituation bringen. Auch den richtigen Zunder für das Anfachen der Glut zu finden und zu präparieren ist eine Kunst für sich.
Was ist sonst noch wichtig?
Peter: Essenzielle Kenntnisse über die Pflanzen- und Tierwelt sind ebenso notwendige Dinge, die aber während des Survival Training von ganz natürlich erworben werden. Wenn das Feuer entfacht ist und der Körper genug Wasser bekommt, dann kann man schon für eine lange Zeit überleben! In weiterer Folge umfasst das Thema Nahrung ein großes Spektrum. Was in unserer Wildnisschule einen besonderen wichtigen Teil einnimmt, ist die Schulung der Intuition, sowie der mentalen und physischen Fähigkeiten, die auch im Alltagsleben von großem Nutzen sein können.
Eine Woche Wildniscamp bedeutet, viele neue und einzigartige Erfahrungen zu sammeln, die man im „normalen“ Alltag kaum erleben kann. Wie erlebst du insbesondere die Kinder nach einer Woche Wildniscamp?
Peter: Die Natur wirkt heilend auf uns Menschen, besonders für Kinder ist sie für die geistige und körperliche Entwicklung von unentbehrlichem Wert. Durch die Beschäftigung mit den Jahrtausende alten Fertigkeiten des Lebens und Überlebens in der Natur konnte ich bei fast allen Menschen eine archaische Erinnerung wachrufen, die eine tiefe innere Zufriedenheit und Freude bewirkt. Wenn man kein Holz sammelt, gibt es kein Feuer. Kein Feuer hat zur Folge, dass einem kalt ist. In diesem Sinne sind es ganz pragmatische, direkte und elementare Erfahrungen.
Es geht darum, zurück zum Ursprung zu gehen und sich die Frage zu stellen, was die elementarsten Grundbedürfnisse und Notwendigkeiten sind. Die Zivilisationsschicht, wie ich sie nenne, hält 2 bis 3 Tage an, bevor sich die Veränderung in uns Menschen bemerkbar macht. So finden wir im Laufe dieser Tage immer mehr zur eigenen Natürlichkeit zurück, im Übrigen tauchen Kinder sehr schnell in diese Welt ein!
Was kannst du uns abschließend noch mit auf den Weg geben?
Die Natur gibt uns alles, was wir brauchen, jedoch nicht alles, was wir wollen. Die Natur schafft innere Ruhe und Ausgeglichenheit, wir erfahren die Einfachheit als eine in Vergessenheit geratene Wertigkeit. Das Lagerfeuer wird zum Fernseher, Handys und Computer werden schnell zur Seite gelegt. Lieber schnitzt man an einem Holz, baut sich einen Unterschlupf oder werkelt an verschiedensten Utensilien, die den Alltag von früh bis spät prägen.
Dabei beachten sowohl die Kinder wie auch die Erwachsenen selbst nicht einmal mehr ihr von Ruß verschmiertes Gesicht. Die Augen der Kinder glänzen, ab einem bestimmten Zeitpunkt fühlen sie sich als Teil der Natur. Manche der Kinder möchten für immer dableiben, andere freuen sich wieder auf das Bett zu Hause. Dinge, die vorher selbstverständlich waren, erhalten einen besonderen Stellenwert. Man betrachtet sich selbst und die Natur von nun an mit ganz neuen Augen.
Vielen Dank Peter, für das interessante Gespräch und diese besonderen Einblicke!
Für mehr Informationen zu unserem Suvival-Camp in Tirol: Hier klicken!